Deckelung der Entschädigungssummen EU-rechtskonform?
Im Rahmen von Ansprüchen aus einer Haftpflichtversicherung im Zusammenhang mit Kfz- Unfällen ist es in mehreren Ländern der EU, unter anderem auch in Spanien und Italien, üblich, dass von Gesetzes wegen eine Deckelung der Gesamtentschädigungssumme vorgesehen ist. Ein italienisches Gericht in Tivoli hat sich veranlasst gesehen, diese Rechtslage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem EUGH zur Klärung vorzulegen.
Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsrecht ist in der EU weitgehend vereinheitlicht, allerdings weichen die gesetzlich vorgeschriebenen Höchstentschädigungssummen und die Übernahme von bestimmten Leistungen (z. B. Mietwagen- und Sachverständigenkosten) in den EU-Staaten noch erheblich voneinander ab.
Insbesondere bei Großschäden führt die Deckekung nicht selten dazu, dass Geschädigte eines Verkehrsunfalls sich als nicht ausreichend entschädigt sehen. Würde es sich um einen anderen Haftpflichtschaden handeln, der außerhalb der KFZ Haftpflicht zu ersetzen wäre, so würde die Deckelung nicht greifen und den Geschädigten weitaus höhere Entschädigungssummen bei gleichem Schaden und/oder Verletzungsbild zustehen.
Die nationalen Gesetzgeber haben die Rechtmäßigkeit dieser Praxis stets bejaht, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, eine erhöhte Rechtssicherheit für die Haftpflichtversicherer zu erzielen, die aus einem Verkehrsunfall verpflichtet sind, Schäden zu ersetzen. Diese Praxis wurde von den Spruchkörpern der nationalen Gerichte auch anerkannt, wobei in Spanien z.B. das Prinzip der Deckelung der Ansprüche durch Schmerzensgeldtabellen angewandt wurde.
Ein italienisches Gericht in Tivoli hat sich veranlasst gesehen, diese Rechtslage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem EUGH zur Klärung vorzulegen. Der Gerichtshof wurde im Wesentlichen um die Entscheidung der Frage ersucht, ob eine nationale Bestimmung zur Regelung der Höhe der Entschädigung, die im Fall eines Verkehrsunfalls zum Ersatz des nicht in einem Vermögens- oder Sachschaden bestehenden Schadens (im Folgenden: Nichtvermögensschaden) zu leisten ist, mit den Unionsvorschriften über die Kraftfahrzeugversicherung vereinbar ist.
Im Schlussantrag ließ der Generalanwalt Nils Wahl nunmehr keinen Zweifel daran, dass Art. 3 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, Art. 1 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und Art. 1a der Dritten Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung dahin auszulegen sind, dass sie nicht einer nationalen Rechtsvorschrift wie Art. 139 des Decreto legislativo Nr. 209 vom 7. September 2005 betreffend den Codice delle assicurazioni private entgegenstehen, in der Kriterien für die Quantifizierung des vom Versicherer zu zahlenden Ersatzes des Nichtvermögensschadens von bei Kraftfahrzeugunfällen Geschädigten festgelegt sind.
Die Entscheidung steht noch aus. Wir werden berichten.